Wenn Helden und Heldinnen alt werden
Wen meine ich mit Held oder Heldin?
Ich meine unsere Eltern. Ich gehe jetzt mal von dem Fall aus, dass du ein relativ normales Verhältnis zu deinen Eltern hast oder hattest. Mal mit mehr, mal mit weniger Konflikten. Wenn nicht, ist dieser Post nicht ganz dein Thema.
Unsere Eltern sind eine Weile lang unsere Heldinnen und Helden in glänzender Rüstung. Sie kennen auf jede Frage eine Antwort. Ob die jeweils stimmt oder nicht, ist in einem bestimmten Alter noch nicht so relevant. Sie können Schmerzen durch pusten wegzaubern. Sie können eine heisse Stirn durch ihre Hand abkühlen und dafür sorgen, dass kein Monster uns beim Schlafen stört.
In allen Lebenslagen wissen sie Rat und selbst im Teenageralter kommt man nicht umhin, ab und an zu staunen, dass sie ja doch nicht nur doof sind.
Spätestens wenn man dann selber “erwachsen” ist, weiss man viel zu schätzen. Sicher nicht alles, schliesslich will man sein Leben auf die eigene Art und Weise führen, aber viel übernimmt man bewusst, oder unbewusst.
Und dann ist man wirklich erwachsen. Man führt sein eigenes Leben und hat weniger Zeit, oder lebt weit weg. Aber he, unsere Heldinnen und Helden, die können ja alles allein und wissen so viel.
Das funktioniert bis zu dem Moment wo man erschrickt. Durch einen der selten gewordenen Besuche, oder einen Videocall. Und man bemerkt plötzlich viele neue Falten im Heldengesicht. Man fragt wie es ihnen geht und als Antwort bekommt man eine Aufzählung von Symptomen, oder Schmerzen. Immer mit dem Nachsatz: “Aber das ist alles nicht so schlimm”! Bei einem Besuch sieht man unauffällig in der Ecke eine Batterie an Medikamenten und lässt sich mal erklären, wofür sie alle sind. Aber es kommt dann immer der Nachsatz: “Ach das ist alles nicht so schlimm. Ich mach das alles noch allein!”
Dann vergeht wieder ein wenig Zeit und beim nächsten Besuch fragt man, ob sie das Lieblingsessen kochen würden. “Natürlich”, kommt dann als Antwort ,”ich schaff das schon, das hab ich schon so oft gemacht”. Aber als man dann in der Küche ankommt, da sieht man das Chaos und wie schwer es ihr fällt, deinen Wunsch zu erfüllen. Während dieses Besuches, erzählt sie oder er viel und es fällt dir auf, dass sich sehr viel wiederholt. Und natürlich fragen wir dann, ob wir irgendwie helfen können. Aber als Antwort kommt meist: “Mir geht es gut, ich schaff das schon, ich hab immer alles allein gemacht und du hast viel zu tun”.
Das Gefühl in deinem Magen ist schon nicht mehr so gut. Du rufst häufiger an, du versucht wenn möglich vorbei zu fahren und du merkst, wie viel sie oder er nicht mehr so einfach schafft. Obwohl es sonst immer allein ging. Auch siehst du auf einmal, welche Hilfsmittel und Strategien genutzt werden, aber es kaum Erleichterung bringt.
Leider ist er jetzt da, der Moment in dem du eingreifen musst!
Aber was heisst das für deinen Helden, oder deine Heldin? Ganz einfach, er oder sie fühlt sich schwach, hilflos, unbrauchbar, frustriert, manchmal sogar sauer und fast immer verzweifelt.
Und das nur, weil wir Hilfe anbieten. Dringend nötige Hilfe. Und klar, wir setzten das auch durch, denn wir wissen, es muss sein.
Aber wie fühlt sich das an? Für dich? Für sie oder ihn?
Wenn wir nicht vorsichtig und empathisch vorgehen, degradieren wir sie zu Kindern. Wenn wir zu grob vorgehen, vermehren wir ihre Verzweiflung und zwingen sie ins Schneckenhaus. Wenn wir aber zu wenig tun, dann kann es sogar gesundheitliche Folgen haben.
Selbst wenn wir nichts tun, wird unser Held oder unsere Heldin weiterhin an sich zweifeln, sauer auf sich sein, frustriert durch den Tag gehen.
Nichts tun ist also keine Option. Jetzt ist es an der Zeit sich einzugestehen, dass auch unsere Helden alt werden können und es auch dürfen. Dass wir all die Zuwendung, Liebe und Geduld wieder zurück geben müssen. Dass wir sie tragen dürfen und ihnen durch dieses Tal helfen. Egal was danach kommt. Auch wenn es in manchen Fällen keine Besserung gibt und sie uns evtl. auch nicht mehr erkennen.
Wir werden zu einer anderen Art von Held. Wir pusten keine Schmerzen weg, sondern organisieren Bankunterlagen, Versicherungen und Rechnungen. Wir singen ihnen keine Schlaflieder, aber wir sorgen dafür, dass das Handy immer laut gestellt ist und sie gut erreichbar sind. Wir verjagen keine Monster, sondern sorgen dafür, dass das Monster “Krankheit” mit der richtigen Einnahme der Medis in Schach gehalten wird. Wir hören uns nicht Geschichten aus der Schule an, aber Geschichten von damals, als “alles noch besser war”. Auch wir werden in dem Moment zu Helden!
Bist auch du so ein neuer Held oder eine Heldin? Dann klopf dir auf die Schulter, sei stolz auf dich und deine Eltern. Denn du gibst zurück, was du bekommen hast und auch was du gelernt hast. Kopf hoch! Und sei ruhig mal traurig. Denn genau das ist es. Aber es geht weiter. Schritt für Schritt
Habe Geduld und suche dir Hilfe, wo du sie nutzen kannst. Denn irgendwann, da brauchst auch du Hilfe. Nur sind dann deine Helden und Heldinnen nicht mehr da. Da musst auch du darauf vertrauen, um dich herum neue Helden zu habe.
Deine Linna
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